Modellierung auf lokaler Ebene - Ein Überblick

Das Projekt "Wege zu einer umweltverträglichen Mobilität - am Beispiel der Region Stuttgart" befaßt sich mit vor allem mit den ökologischen Auswirkungen des Verkehrs und Maßnahmen zur Reduzierung der verkehrsinduzierten Belastungen. Informationen zu den Projektzielen, den einzelnen Teilprojekten und den beteiligten Instituten findet man in der (Projektbeschreibung).

Die Bestimmung derBelastungen und die daran anknüpfende ökologische Bewertung findet auf drei verschiedenen Ebenen statt. Die regionale Ebene umfaßt Stuttgart und die umgebenden Landkreise. Auf der mittleren Ebene werden Gemeinden oder größere Stadtteile betrachtet, während auf der der lokalen Ebene der Blickpunkt gezielt auf kritische Belastungspunkte (z.B. Kreuzungsbereiche oder Straßenschluchten und deren Umfeld) bzgl. Lärm und Luftschadstoffen fokussiert wird.

Folgerichtig wird die lokale Ebene am CAAD-Labor des Städtebaulichen Institutes bearbeitet. Denn Städtebau kann nur nachhaltig sein, wenn ökologische Belange bereits von Anfang an bei der Planung und Formfindung berücksichtigt werden. Zu untersuchen, inwieweit die heute vorhandenen Ausbreitungsmodelle und Visualisierungsmethoden dem Städtebauer dabei behilflich sein können, ein Gespür für umweltverträglichen Städtebau zu entwickeln, ist ein Ziel des Teilprojektes. Zum Erreichen dieses Ziels ist es notwendig, dem Städtbauer ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem er den Untersuchungsraum und seine Belastungen interaktiv erfahren kann. Vorstellbar ist dies im Rahmen der virtuellen Realität: Schadstoffwolken wabern in Lebensgröße und der Lärm wird über Lautsprecher oder Kopfhörer eingespielt.

Konkret bedeutet "lokale Ebene" das Arbeiten mit einem "menschlichen Maßstab". Einen Abstand zwischen den Rasterpunkten von maximal 3x3 Metern ist zum einen deswegen notwendig, um z.B. einzelne Stockwerke trennen zu können, zum anderen wird diese Obergrenze auch durch die Größe der Objekte erzwungen, die durch die Diskretisierung der Ausbreitungsmodelle nicht "durch das Raster fallen sollen". Je kleiner die horizontale Ausdehnung des Untersuchungsgebietes wird, desto wichtiger wird die dritte Dimension.

Bei den auf lokaler Ebene wichtigen Fragestellungen im Zusammenhang mit Mobilität handelt es sich teilweise um konkret städtebauliche Fragestellungen, z.B.:

Wie baut/saniert/verändert man einen Stadtbaustein unter bestimmten meteorologischen und verkehrlichen Randbedingungen umweltverträglich?

Darin enthalten ist die Frage, welche Art von Nutzung an welcher Stelle sinnvollerweise geplant wird. Andererseits gibt es auch eher verkehrsplanerische Fragestellungen, z.B:

Welche verkehrsbezogenen Maßnahmen kann man durchführen, um in einem schon bestehenden StadtgebietVerbesserungen zu erreichen?

Dabei geht es um die Aufteilung der anfallenden Fahrten und um deren Vermeidung. Inwieweit die fortschreitende Vernetzung mit ihrer Möglichkeit der "virtuellen Mobilität" zur Reduzierung der nötigen Fahrten beitragen kann, ist schwer mathematisch abbildbar und wird daher im Projekt leider nicht betrachtet.

Im bisherigen Verlauf hat sich auf der lokalen Ebene eine Gliederung in die Hauptarbeitsfelder Datenaufbereitung und -Beschaffung, Ausbreitungsrechnungen und Visualisierung der Ergebnisdaten ergeben.

Eine erste Aufgabe ist die Bereitstellung von Eingangsdaten für die Simulationsrechnungen. Dabei handelt es sich um meterologische Daten, Verkehrsdaten und Informationen über die dreidimensionale Ausprägung des Untersuchungsgebietes.

Mit den aufbereiteten Daten werden Ausbreitungsrechnungen durchgeführt. Für Lärm und Luftschadstoffe stehen dabei verschiedene Ausbreitungsmodelle zur Verfügung.

Die berechneten Immissionsdaten werden dann je nach Fragestellung zwei- oder dreidimensional visualisiert.

Verkehrsrelevante Schadstoffe und Grenzwerte

Um eine Bewertung von Szenarien vorzunehmen, müssen Umweltqualitätsstandards für verschiedene Kategorien vorliegen. Neben den auf der lokalen Ebene betrachteten Ziele für Luftschadstoffe und Lärm werden im Projekt "WUMS" auf regionaler Ebene auch Oberflächengewässer, Boden, Arten/Biotope, Grundwasser und Flächenzerschneidung behandelt.

Die Umweltqualitätsstandards wurden in Zusammenarbeit mit der Stadt Stuttgart in mehreren Stufen erarbeitet. Die Grenzwerte stellen unter Berücksichtigung von menschlicher Gesundheit und technologischer Machbarkeit politisch ausgehandelte Vorgaben dar und wurden aus verschiedenen Vorschriften (z.B TA Luft, 23. BImSchV) entnommen. Die Vorsorgewerte orientieren sich stärker an der menschlichen Gesundheit.

Die folgende Tabelle zeigt die im Projekt verwendeten Grenz- und Vorsorgewerte für einige verkehrsrelevante Luftschadstoffe:

  Grenzwerte Vorsorgewerte  
  Jahresmittel 98-Perzentil Jahresmittel 98-Perzentil  
CO 10 30 1 3 mg/m³
SO2 140 400 15 50 µg/m³
NO2 80 160 30 75 µg/m³
Benzol 10 (ab 7/98) - 2,5 - µg/m³
Ruß 8 (ab7/98) - 5 - µg/m³

Das 98-Perzentil wird auch Kurzzeitwert oder IW2-Wert (TA Luft) genannt und entspricht demjenigen Emissionwert, der in 98% aller halben Stunden des Jahres unterschritten wird.

Die Bewertung der NO2-Immissionen ist allerdings nicht einfach, weil die Fahrzeuge vor allem (zu über 98 %) N0 emittieren, welches sich erst während der Ausbreitung letztlich komplett zu NO2 umwandelt.

Bewertung der Immissionssituationen

Ziel der Ausbreitungsrechnungen ist es, Immissionssituationen bewerten zu können. Bei einer absoluten Bewertung eines Szenarios überprüft man, wo im Untersuchungsbebiet Grenz- oder Vorsorgewerte überschritten werden. Um einen ökologisch verträglichen Zustand zu erreichen, kann man gegebenenfalls sukzessive verschiedene Maßnahmen ausarbeiten und anhand weiterer Ausbreitungsrechnungen und Bewertungen deren Wirksamkeit überprüfen.

Bei einer relativen Bewertung vergleicht man verschiedene Szenarien miteinander. Zum einen kann das verschiedene Stadtbausteine oder Strassenverläufe betreffen, zum anderen kann man z.B. innerhalb eines Szenarios die optimale Verteilung der Nutzungen ermitteln, also wohin kommt am besten der Kindergarten? Oder die Balkone? Wo sollte ich keine Wohnungen mehr bauen, sind aber noch gewerbliche Nutzungen möglich?

Eine Frage kann sein, wie sich die Immissionsverhältnisse bei städtebaulichen Maßnahmen verändern. Ein Beispiel dafür wäre das Ersetzen eines relativ locker gebauten Altbestandes durch einen geschlossenen Neubau:

Problematisch ist auch die Frage, wie verschiedene Belastungen gegeneinander zu gewichten sind. In den verschiedenen Ansätzen für Luftbelastungsindizes werden die einzelnen Luftschadstoffkomponenten meist gleichwertig behandelt. Wie gewichte ich Luftschadstoffe gegenüber Lärm?

Vorbelastung

Zum Vergleich mit Grenz- oder Vorsorgewerten muß eigentlich die Gesamtbelastung herangezogen werden. Diese setzt sich zusammen aus der mit den Ausbreitungsmodellen berechneten Zusatzbelastung und der Vorbelastung. Die Vorbelastung entsteht durch die Emissionen von nicht-verkehrlichen Emittenten (Industrie, Haushalte) oder durch Verkehr außerhalb des Untersuchungebietes.

Für Einzelfallrechnungen und Jahresmittelwerte lassen sich Vorbelastung und Zusatzbelastung einfach zur Gesamtbelastung addieren. Für die Kurzzeitwerte (98-Perzentile) gilt dieser einfache Zusammenhang nicht. Nach der TA Luft kann unter bestimmten Voraussetzungen ein grafisches Verfahren anhand eines Nomogrammes herangezogen werden. Für die Berechnungen des Teilprojektes wurde eine numerische Implementierung dieses Verfahrens entwickelt.

Für den Großraum Stuttgart liegt mit den "Immissions- und Wirkungsuntersuchungen - Grossraum Stuttgart 1996" des Ministeriums für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg eine flächendeckende Messung der Immissionskonzentration von über 20 Schadstoffen vor. Die folgende Tabelle zeigt für die im Projekt betrachteten Schadstoffe die über die fast 1000 Einzelflächen gemittelten Jahresmittel- und 98-Perzentilwerte sowie die Belastung der am stärksten belasteten Einzelfläche:

  mittleres Jahresmittel maximales Jahresmittel mittleres 98-Perzentil maximales 98-Perzentil  
CO 0,8 1,4 2.6 6.0 mg/m³
SO2 9 13 35 53 µg/m³
NO2 35 59 89 130 µg/m³
Benzol 3,1 6,7 11,7 27 µg/m³
Ruß 4,1 - - - µg/m³

Da das Untersuchungsgebiet Hauptstätter Str. mitten im dicht bewohnten und befahrenen Stuttgarter Talkessel liegt, werden bei der Berücksichtigung der Vorbelastung immer die maximalen Werte verwendet.